Barenberg legte gegen die Aufhebung seiner Anerkennung als politisch Verfolgter Beschwerde ein. Die Bezirksregierung Arnsberg wies die Beschwerde ab. Barenberg wandte sich an den Innenminister und legte Widerspruch ein. Parallel wurde das Betrugsstrafverfahren eröffnet, mehrfach wurde der Termin für die gerichtliche Hauptverhandlung verschoben, auch ein angesetzter Termin am 9.3.1950 (Das Verfahren zog sich damit schon 2 Jahre hin!) entfiel, da Barenberg erkrankte.
Danach ging alles ganz schnell: Das Strafverfahren wurde eingestellt aufgrund neuer Amnestie-Gesetze der BRD.
Die Nichtanerkennung als Verfolgter des Nazi-Regimes blieb bestehen, da auch das Innenministerium die Bewertung der Behörde in Arnsberg teilte, Barenberg sei kein NS-Opfer, sondern er sei ein homosexueller Täter, der sich durch Emigration/Flucht der Strafe entzogen haben. Barenberg wurde also weder materiell/finanziell für den Schaden an Hab und Gut, Leib und Leben noch moralisch entschädigt. Im Gegenteil: Da die Bundesrepublik Homosexuelle weiterhin als potentielle Straftäter stigma-tisierte und verfolgte und §§ 175/175a in der NS-Fassung von 1935 bis zum Jahr 1969 unverändert beibehielt, war er weiterhin von Verfolgung, Denunziation, usw. bedroht.
Anfang der 1950er Jahre löste Barenberg die Firma auf, nachdem ein Neuanfang und der Versuch gescheitert waren, mit Warenverkauf auf dem Bochumer Großmarkt „auf die Beine“ zu kommen. Er verließ Bochum und meldete sich am 13. Februar 1951 aus Bochum mit unbekanntem Ziel ab. Zu diesem Schritt trug sicherlich bei, dass er als „geouteter Homosexueller“ in der Nachkriegszeit eher als Verbrecher betrachtet und behandelt wurde denn als Mensch, der die NS-Verfolgung überlebte.
Die Neffen berichteten, dass sowohl Bruder Ludger als auch die tiefgläubige Mutter Olga die Homosexualität von Heinz Barenberg missbilligten. Außerdem war Bochum aufgrund der juristischen Verfolgung und entwürdigenden behördlichen Behandlung in der Nachkriegszeit so etwas wie „verbrannte Erde“ für Barenberg; der gesellschaftliche Absturz und die familiäre Situation trugen dazu bei, dass er Bochum den Rücken kehrte.
In der Familie wurde „Onkel Heinz“ danach nur noch einmal erwähnt: Es habe in den 1950er Jahren einen Anruf von ihm aus Frankreich gegeben. Danach brach der Kontakt ab; die Mutter von Heinz erwähnte ihren Sohn gegenüber ihren Enkeln bis zu ihrem Tod nicht mehr.
Die letzte Lebensstation von Heinz und sein letzter Wohnort waren München. Ab wann er dort ansässig wurde, ist nicht genau datierbar. Fest steht, dass er den ehemaligen Korvettenkapitän Paul Graf Montgelas kennengelernt hatte und zuletzt bei ihm im Haushalt lebte in der Danziger Straße 11 in München.
Paul Graf Montgelas, Jahrgang 1886, (vollständiger Adelsname im Kaiserreich: Paul Franz de Paula Joseph Eduard Anton Maximilian Karl Alphons Dominicus Graf von Montgelas) war aktiver Marinesoldat in Führungsposition im ersten Weltkrieg. Er heiratete 1917 die damals Adelige Charlotte von Weinberg, das Paar hatte einen Sohn (Thasssilo 1918-1992). Die Ehe von Paul und Charlotte wurde im Jahr 1932 geschieden.
Paul Graf Montgelas wohnte seit ca. 1938 in München in der Danziger Str. 11 bis zu seinem Tod im Jahr 1968. Wann genau Heinz Barenberg bei Paul Graf Montgelas einzog, ist nicht bekannt, amtlich gemeldet war er dort ab Herbst 1963.
Am 26. August 1961 wurde Paul Graf Montgelas das dritte der 14 Gründungs-mitglieder der Humanistischen Union. Der Satzungszweck kann u.a. auch als Plädoyer verstanden werden, Ausgrenzte wie z.B. Homosexuelle nicht länger als Menschen 2. Klasse zu behandeln – ohne eine explizite Nennung:
„Es ist der Zweck und die Aufgabe des Vereins, alle Bestrebungen zu fördern, welche (1) die ungehinderte Entfaltung aller religiösen, weltanschaulichen, wissen-schaftlichen und künstlerischen Strömungen in der Bundesrepublik gewährleisten, (2) es dem einzelnen Bürger gestatten, von seinen im Grundgesetz garantierten Rechten der individuellen Lebensgestaltung, der Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnis-, der Meinungs-, Informations- und Koalitionsfreiheit ohne Furcht vor Nachteilen Gebrauch zu machen, (3) die Unabhängigkeit des Staates und seiner Einrichtungen sowie aller Bereiche, in denen gesamtgesellschaftliche und sachliche Aufgaben zu lösen sind, gegenüber Machtansprüchen konfessioneller oder weltanschaulicher Gruppen garantieren, (4) der Festigung demokratischer Solidarität und Toleranz insbesondere auf dem Gebiet der Erziehung dienen.“
Barenberg dürfte sich mit der Grundhaltung, die Montgelas durch seine Mitgründung der Humanistischen Union zum Ausdruck brachte, in hohem Maße identifiziert haben. Dass er diese im Hause Montgelas vorhandene liberale Haltung als wohltuenden Kontrast zu der ab 1933 in Deutschland hautnah erlebten reaktionären, menschenverachtenden Handlungsweise der Herrschenden erlebt habe dürfte, ist unzweifelhaft.
Was darüber hinaus die Beziehung zwischen den beiden Männern ausgemacht hat, lässt sich heute nur erahnen: In der Sterbeurkunde von Barenberg – er starb am 9. Februar 1964 im städtischen Krankenhaus in Müchen-Schwabing – ist als Bezeichnung „Diener“ vermerkt.
Das merkwürdig antiquiert anmutende Wort „Diener“ ist sicherlich eher als Beschreibung des Verhältnisses zweier Personen zu verstehen und nicht so sehr als Berufsbezeichnung des einen. Berücksichtigt man, dass Montgelas aus einer ehemals adeligen Familie stammte, wo Bezeichnungen wie „Diener“ zum Vokabular gehört haben mögen und dass andererseits Barenberg aus einer großbürgerlichen, reichen Familie stammte, in der sich niemand als Diener hätte bezeichnen lassen, so liegt die Vermutung nahe, dass die beiden Männer eher um eine unverfängliche Außendarstellung bemüht waren als um eine wirklichkeitsnahe Beschreibung ihrer Beziehung.
Homosexuelle wurden noch bis 1969 strafrechtlich nach §§175/175a in der Nazifassung von 1935 verfolgt. Nach der Lebenserfahrung der beiden Männer ist es daher nicht verwunderlich, dass jeder Anschein einer homosexuellen Beziehung vermieden werden musste, um nicht Opfer gesellschaftlicher Ächtung und strafrechtlicher Verfolgung zu werden. (Unabhängig davon, ob es sich um ein solches Beziehungsverhältnis handelte oder auch nicht.) Dass beide Männer in einem Haushalt wohnten, war nur durch die „Erfindung“ des Dieners überhaupt in gewissem Maße „unverfänglich“ und möglich.
Dass andererseits das Binnenverhältnis kein „dienendes“ war, wird nicht nur durch das Faktum unterstrichen, dass Barenberg von seinem Bildungsstand und Werdegang und seiner Herkunft kein „Dienender“ war, sondern auch durch die überlieferte Tatsache, dass er aufgrund einer Gehbehinderung auf einen Gehstock angewiesen war – auch dieses Merkmal war schwerlich vereinbar mit der Vorstellung von einem „Diener“.
Ob Paul Graf Montgelas auch für die würdige Beerdigung von Heinz Barenberg sorgte, ist heute nicht mehr festzustellen. Fest steht allerdings, dass die Krankenhausverwaltung München-Schwabing am 10.2.1964, also einen Tag nach dem Tod von Heinz Barenberg, in der schriftlichen Sterbefallanzeige vermerkte, dass Herr Paul Graf Montgelas zum Nachlass Auskunft erteilen könne und dass der Verstorbene ohne Angehörige sei. (Womit in dieser Zeit selbstverständlich/leider nur die Abstammungsfamilie gemeint war. Hätte sich Paul Graf Monteglas als „Lebenspartner“ zu erkennen gegeben, hätte er sich vermutlich nicht nur lächerlich gemacht und wäre geächtet worden, sondern wg. der immer noch vorhandenen Strafbarkeit homosexueller Handlungen hätte er möglicherweise weitere Konsequenzen zu fürchten gehabt.) Das Sterbefall-Dokument jedenfalls belegt, dass der Bruch zwischen Heinz Barenberg und seiner Mutter und seinen Geschwistern und deren Familien vollständig war.
Vielleicht war aber auch die Nichtangabe der Herkunftsfamilie die einzige Möglichkeit, für eine würdevolle Beerdigung am letzten Lebensort München zu sorgen, ohne dass die Herkunftsfamilie von B. Einfluss nehme konnte und/oder die noch lebende Mutter (als einzige noch lebende Verwandte in gerader Linie) eine Bestattung in Bochum veranlassen konnte.
Fest steht, dass die Bestattung auf dem nahe beim damaligen Wohnort in der Danziger Straße gelegenen Münchener Nordfriedhof am 13. Februar 1963 erfolgte. Die Grabstätte war für eine Erdbestattung oder eine Urnenbestattung geeignet, das Grab besteht heute nicht mehr.