Wir erinnern an Otto Meinecke
Otto Meinecke: geboren am 20. Oktober 1880 in Witten an der Ruhr, gestorben 13. Juli 1942 im KZ Sachsenhausen bei Berlin
Otto Meinecke: geboren am 20. Oktober 1880 in Witten an der Ruhr, gestorben 13. Juli 1942 im KZ Sachsenhausen bei Berlin
Otto Meinecke, geboren am 20. Oktober 1880 in Witten an der Ruhr, Fabrikant und Kaufmann von Beruf, wohnhaft 1940 in Dortmund, Kleppingstraße 2. Deportation in das KZ Sachsenhausen bei Berlin, dort Opfer einer gezielten Mordaktion gegen Homosexuelle im Sommer 1942, bei der allein im Juli und August mindestens 95 namentlich bekannte Männer umgebracht wurden. Angebliche Todesursache „Kopfschuss bei Fluchtversuch“, Tod am 13. Juli 1942.
Otto Meinecke wurde geboren in Witten am 20. Oktober 1880 als Sohn des Feilenhauermeisters Wilhelm Meinecke und seiner Ehefrau Lina Meinecke, geborene Sasse.
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In Witten wurden auch Bruder Heinrich (*1870 – Dortmund +1929) und Schwester Clara (* 1882) geboren. Die Familie zog um 1883 von Witten nach Dortmund, wo Ottos Brüder Hugo (Barop *1883), Karl (*1888-Dortmund 1968) und Max (*1890-Augsburg 1963) zur Welt kamen. Wilhelm Meinecke war zunächst in der Rheinischen Straße 93 als Besitzer der Dortmunder Feilen-Fabrik ansässig. Um ca. 1920 übernahmen die Söhne die Feilenfabrik, Sohn Otto wohnte als Kaufmann und Fabrikant zunächst am Sitz der Firma in der Münsterstraße 257. Nach zahlreichen Umzügen ab 1933 innerhalb von Dortmund wohnte Otto Meinecke ab 1940 in der Kleppingstraße 2. Die Feilenfabrik wurde ab 1936 von Bruder Max am Wambeler Hellweg 2a weitergeführt, nach dem Unfalltod von Max M. führten Ehefrau Mia und deren Bruder Willi Weber die Produktion bis 1965 weiter, der Handel wurde 1973 eingestellt. Von Otto Meinecke sind keine Fotos überliefert, lediglich in der Sterbeurkunde (1925) seiner Mutter Lina findet sich seine persönliche Unterschrift:
Wann und weshalb gegen Meinecke von der Polizei ermittelt wurde, ist bekannt: In den Haftbüchern des Polizeigefängnisses Steinwache in Dortmund taucht der Name zweimal auf: Am 21.6.1938 wurde er um 16.25 Uhr mit der Adresse Paderborner Straße 11 von den Kriminaloberassistenten W. und B. wegen § 175 eingeliefert und am 23.6.1938 dem Gericht vorgeführt. Mehr als zwei Jahre später wurde er am 26.12.1940 mit der Adresse Kleppingstraße 2 von Kriminaloberassistent A. wiederum wegen § 175 eingeliefert und am 28.12.1940 dem Gericht vorgeführt. Das er zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, lässt sich durch einen Eintrag der Justizvollzugsanstalt in Hagen/Westfalen aus dem Jahr 1941 belegen. Dort findet sich Otto Meinecke mit dem Vermerk seines Geburtsdatums und der Straftat (§175). Fest steht auch, dass er zu Beginn des Jahres 1942 in das KZ Sachsenhausen bei Berlin deportiert wurde, er war dort Häftling Nr. 42857 und wurde dem bei den Häftlingen gefürchteten Strafkommando im Außenlager Großziegelwerk (GZW) zugewiesen. Man stempelte ihn als „175er“ und „Berufsverbrecher“ ab. Die Bezeichnung „BV175“ wurde denjenigen Männern „angeheftet“, die im Sprachgebrauch der Nationalsozialisten mehr als einen Mann „verführt“ hatten.
Der SS-Reichsführer Heinrich Himmler hatte dazu am 12. Juli 1940 pauschal bestimmt:
„Ich ersuche, in Zukunft Homosexuelle, die mehr als einen Partner verführt haben, nach der Entlassung aus dem Gefängnis in polizeiliche Vorbeugehaft zu nehmen.“
Dieser Befehl hatte zur Folge, dass diejenigen, die ihre Strafe verbüßt hatten, nicht entlassen wurde, sondern unmittelbar in ein KZ deportiert wurden, wo sie als „Vorbeugehäftlinge“ nicht mehr entlassen wurde, sondern meist zu Tode kamen.
Die Sterbeurkunde aus Sachsenhausen nennt als Todesursache: „Kopfschuss bei Fluchtversuch“. Diese Formulierung verbarg eine beliebte Mordmethode der SS, von der viele Häftlinge berichteten, und zwar eine von den SS-Wachmannschaften der Konzentrationslager inszenierte und gezielte Tötung von Gefangenen unter verschiedensten Vorwänden. Durch die mutigen, heimlichen Aufzeichnungen von Namenslisten und Beobachtungen des Sachsenhausen-Häftlinges Emil Büge wissen wir, dass im Sommer 1942 in dem KZ eine gezielte Mordaktion gegen Homosexuelle stattfand. Dabei wurden allein im Juli 1942 insgesamt 82 namentlich bekannte Männer ermordet. Neben Meinecke wurden auch zahlreiche andere Männer aus dem Ruhrgebiet und angrenzenden Regionen Opfer dieser Mordaktion.
Bruder Max sorgte dafür, dass die Urne aus dem KZ (die Leichen der Häftlinge wurden immer entgegen Bestimmungen des Bestattungsgesetzes ohne Zustimmung verbrannt) auf dem Dortmunder Hauptfriedhof am 12. August 1942 beigesetzt wurde. Das Grab existiert heute nicht mehr.
Schätzungen gehen von 5 bis 15 Tausend ermordeten Homosexuellen in den Konzentrationslagern aus. Mehr als 50.000 Männer wurden mittels des von den Nationalsozialisten verschärften § 175 kriminalisiert. Nach 1945 setzte sich die Verfolgung in der BRD bis 1969 „ungebremst“ fort, da erst 1969 die Nazi-Fassung des §175 entschärft wurde und damit einvernehmliche Beziehungen zwischen erwachsenen Männern straffrei waren. Die DDR hatte die strafrechtliche Verfolgung bereits in den 50er Jahren eingeschränkt und im Jahr 1968 den §175 gestrichen. Im Jahr 1994 wurde der § 175 im Zuge der Wiedervereinigung insgesamt aufgehoben. Während die Urteile, die nach dem Paragraphen 175 in der Zeit von 1933 bis 1945 gefällt wurden, vom Bundestag im Jahr 2002 aufgehoben wurden, sind die Urteile, die zwischen 1945 und 1969 gefällt wurden nach dem Paragraphen 175 in derselben Nazifassung, bis heute nicht aufgehoben. Die Bundesrepublik hat sich damit schwerster Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht.
Der Stolperstein für Otto Meinecke, von dem Künstler Gunter Demnig verlegt, liegt seit Donnerstag, den 9. Februar 2012, vor dem Haus in der Kleppingstraße 6 (vormals Kleppingstraße 2) in der Dortmunder Innenstadt. Weitere Stolpersteine in Bochum, Essen, Duisburg, Wuppertal, Remscheid zur Erinnerung an die Opfer dieser gegen Homosexuelle gerichteten Mordaktion werden in den nächsten Jahren folgen oder sind bereits verlegt worden. Die Initiative, Recherchen und Bericht zum Leben und Tod von Otto Meinecke stammen von Jürgen Wenke, Diplom-Psychologe, Bochum. Die Patenschaft für den Stolperstein hat der Verein Rosa Strippe e.V., Beratungsstelle für Lesben, Schwule und deren Familien, übernommen.
Die Stadt Dortmund hat durch die Bezirksvertretung Innenstadt-West am 28. Januar 2015 beschlossen, in Dortmund die „Otto-Meinecke-Straße“ zu begründen. Es freut mich, dass meine Forschungen über Otto Meinecke Grundlage waren zur ersten Straßenbenennung in der Bundesrepublik Deutschland, die einen von den Nationalsozialisten ermordeten Homosexuellen würdigt.