„… verliere ich den Glauben daran, dass es für mich wieder mal eine glücklichere Zeit, ein Besseres, geben soll…“
Wir erinnern an Heinz Roosen
Heinz Roosen, geboren am 28.6.1906 in Essen-Borbeck, ermordet am 4. Juli 1942 im KZ Sachsenhausen bei Berlin.
Kurzfassung:
Heinz Roosen, geb. in 1906 in Essen-Borbeck; Eltern stammten aus dem Kreis Geldern am Niederrhein, 8 Schuljahre in Essen, kaufmännische Ausbildung, ausgeübter Beruf: Schaustellergehilfe bei einer Schaustellerfamilie aus Grevenbroich. Er wohnte zuletzt in Neuss. Kurz nach Beginn der NS-Zeit im Sommer 1933 erstmalige Verurteilung nach §175 in Oldenburg wegen homosexueller Kontakte zu 6 Monaten Gefängnis. Zweite Verurteilung als Homosexueller 1937 vom Landgericht in Düsseldorf zu der hohen Strafe von 2 Jahren Zuchthaus. Volle Verbüßung der Strafe in Düsseldorf, Zuchthaus Butzbach und den Emslandlagern Börgermoor und Bathorn. Nach Entlassung wahrscheinlich eine dritte Verurteilung. Feststehend: Deportation Ende 1941 in das Konzentrationslager Sachsenhausen bei Berlin, dort als Häftling Nr. 40161 mit dem rosa Winkel der Homosexuellen gekennzeichnet. Roosen starb im KZ Sachsenhausen am 4. Juli 1942 bei einer Mordaktion der SS, die das Ziel hatte, alle Homosexuellen umzubringen, die sich damals in dem KZ befanden. Allein im Juli 1942 wurden mehr als 80 Männer Opfer dieser Mordaktion.
Die beschönigende Todesursache in der Sterbeurkunde lautete zur Vertuschung der wahren Abläufe: Herz- und Kreislaufschwäche. Heinz Roosen wurde nur 36 Jahre alt.
Der Gesamtbericht stellt auch den weiteren Weg des zweiten Beschuldigten und Verurteilten aus dem Prozess von 1937 dar: Ferdinand Große (1916-1946).
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Heinz Roosen: Was wissen wir über ihn?
Die Lebens- und Verfolgungsgeschichte von Heinz Roosen ist aufgrund relativ guter Quellenlage nicht nur in der obigen Kurzfassung dargestellt, sondern findet sich in der vollständigen Fassung auf dieser Seite links unter dem Button:
Wir erinnern an Heinz Roosen.
Anhand von Originaldokumenten, Briefen, usw. wird die Person Heinz Roosen gewürdigt.
Heinz Roosen wurde nur 36 Jahre alt.
Heinz Roosen war einer von mehreren Tausend Männern, die während der NS-Zeit wegen Homosexualität verfolgt wurden. Verhöre, Folterungen, Kastrationen („freiwillig“), Gefängnis, Zuchthaus und KZ-Deportationen oder Verbringung in „Euthanasie“-Anstalten oder den sozialen Tod im beruflichen und privaten Umfeld durch ein „Outing“ im Zusammenhang mit der juristischen Verfolgung überlebten viele nicht. Diejenigen Homosexuellen, die die NS-Zeit überlebten, sei es im KZ oder anderswo, wurden nach dem 8. Mai 1945 weiter verfolgt. Der Strafrechtsparagraph 175 bestand in Westdeutschland in der verschärften Nazifassung bis 1969 (!). Trotz heftigster Attacken von Seiten der katholischen Kirche leitete 1968 der damalige Justizminister der BRD und spätere Bundespräsident Heinemann die Reform dieses Paragraphen ein. Nichtsdestotrotz wurden bis heute Anträge von Homosexuellen nach dem Bundesentschädigungsgesetz, das die Adenauer-Regierung zu verantworten hatte, immer abgelehnt, denn sie galten nach damaliger Anschauung als „rechtmäßig“ verurteilte Straftäter. Das vorurteilsbehaftete Gedanken“gut“ der Kaiserzeit und die rassistischen Einstellungen, Vorurteile und Handlungen der Nationalsozialisten in Bezug auf das Thema Homosexualität wurden in der BRD zur Handlungsgrundlage gegenüber Homosexuellen. In West-Deutschland gab es bis 1969 jegliche Art der Verfolgung, die es bereits im Nationalsozialismus gegeben hatte – außer Deportierungen in Konzentrationslager.
Erst seit 1994 – als Folge der friedlichen Revolution in der DDR und der Wiedervereinigung -und aufgrund des Engagements der Schwulen- und Lesbenbewegung werden homosexuelle Männer in Deutschland nicht mehr strafrechtlich verfolgt: Der Paragraph 175 StGB wurde gestrichen. Im Jahr 2002 hob der Bundestag die Urteile auf, die während der NS-Zeit mittels des § 175/175a gefällt wurden. Erst seit 2002 zählt Heinz Roosen nicht mehr als Straftäter. Er wurde zu Unrecht verurteilt. Erst im Sommer 2017 wurden diejenigen Urteile aufgehoben, die zwischen 1945 und 1969 nach den Paragraphen 175/175a in der Nazifassung gefällt worden waren und diejenigen Urteile, die nach der Strafrechtsreform zwischen 1969 und 1994 gefällt worden waren. Die Bundesrepublik Deutschland hat mit den Urteilen nach 1945 schwerste Menschenrechtsverletzungen begangen. Die Aufhebung der Urteile kam und kommt für die meisten Betroffenen, die inzwischen verstarben, und für deren Angehörige, Familien und Freunde (zu) spät. Erst im Sommer 2018 hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Fehler des Staates anerkannt und sich entschuldigt.
Zu dem Stolperstein für Heinz Roosen
Am letzten freiwilligen Wohnort vor Beginn der NS-Verfolgung, Friedrichstraße 27 in Neuss, wurde am Samstag, den 11. Dezember 2021 ein Stolperstein zur Würdigung von und Erinnerung an Heinz Roosen verlegt von dem Künstler und Schöpfer der Stolpersteine, Gunter Demnig. Die Verlegung fand unter reger Teilnahme der Öffentlichkeit statt.
Initiative zu dem Stolperstein für Heinz Roosen sowie Recherchen und Bericht zum Lebens- und Verfolgungsweg stammen von Jürgen Wenke, Diplom-Psychologe, Bochum. Die Patenschaft für den Stolperstein haben Bündnis 90 / Die Grünen in Neuss übernommen.
Maßgebliche Unterstützung leisteten: Stadtarchive in Neuss, Grevenbroich, Nordhausen, Bochum, Duisburg, Oberhausen, Mülheim, Gelsenkirchen, Dülmen, Essen, städtische Verwaltungen in Essen, Duisburg, Oberhausen, Ratingen, Dülmen, Nordhausen, Landesarchive in NRW und Niedersachsen, Bundesarchiv Berlin, Arolsen archives, Gedenkstätten Neuengamme und Bergen-Belsen, NS-Dokumentationszentraum Köln, Sütterlinstube in Hamburg, Herr Rainer Hoffschildt, Hannover. Allen Personen/Institutionen sei hier gedankt!